Gedanken beim Tanken ...

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Moderator: Jürgen W.

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Propeller
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Gedanken beim Tanken ...

Beitrag von Propeller »

Gedanken beim Tanken

Unser Leben wird immer dann spannend, wenn man gezwungen ist, einen Moment zu verweilen, und dabei die Gelegenheit hat, das vermeintlich Alltägliche zu hinterfragen. Etwa beim Tanken.

Einst war mir das Tanken eine durch und durch erfreuliche und mit allen Sinnen erfassbare Angelegenheit: Ich schaute zu wie der Lebenssaft des Motors in den Tank gluckerte, die vibrierende Zapfpistole in der Hand haltend, einige übereifrige Spritzer sich auf Klamotten und Umgebung verteilten und ich genussvoll den Duft mit Kennernase ins Hirn zog. Auch wenn ich mich nie so richtig an den Geschmack gewöhnen konnte, unter uns: ESSO roch am besten.

Heute hängt mein Auge am digitalen Hamsterrad der Zapfsäule. Längst hat der rotierende Geldzählmechanismus den Volumenzähler überholt. Geschwindigkeit ist alles – sagen sich wohl die Scheichs, die Multis, der Fiskus und die Tankstellenpächter. Es ist offensichtlich, die Motorenentwickler wurden abgehängt. So gesehen kann ich es inzwischen auch besser verschmerzen, dass die gefahrenen Kilometer im Jahr deutlich hinter denen vor 15 oder gar 20 Jahren zurückbleiben.

Betrachte ich die Zapfsäule etwas genauer, finde ich, das auch sie sich im Laufe der Zeit verändert hat. Wenn ich es mir recht überlege, ganz analog zu den Kaffeemaschinen. Einst organisch runde, kunstvolle Gebilde aus Röhren und Schlauch mit Messingapplikationen und deutlich hörbarem Eigenleben, gleichen sie heute, die Einen wie die Andern, eher unförmigen Geldschränken: Abschreckend, kantig und geradezu bedrohlich abstoßend. Liebe Produktdesigner: Ihr habt versagt!

Doch denken wir weiter. In einigen Jahren werden diese Designer die Ausgestaltung der Tankstellen-Innenräume abgeschlossen haben: Bunte Auslegeware dämpft die Schritte zum Süßriegel-Präsentationsregal im organisch erscheinenden Echtholzimitat. Punktstrahler aus kalten Leuchtdioden lassen den Schokoüberzug vom Designfood nicht mehr schmelzen. Alle Tankstellen sehen irgendwie aus wie die Coffeeshops von Starbucks. Dort wird der Kaffee ja auch aus tresorähnlichen Kasten gezapft. Findet ihr nicht auch?

Wie die Automatisierung des Tankvorgangs zunimmt, wird die bewusste sinnliche Erfahrung des Treibstoffs abnehmen. Verkommt das Tanken zum bloßen Gebührenakt? Ähnlich der Steuer und Versicherung werden die Spritkosten anonym und automatisiert abgebucht? Zahlen soll man ja schon, doch merken darf´s keiner mehr. Heutzutage zahlen nur die wirklich Reichen noch in bar und kassieren keine Bonuspunkte. Doch die Tage sind gezählt. Wer nicht abbuchen lässt, kriegt keinen Sprit mehr. Pech gehabt. In einigen Jahren fragen Kinder: „Onkel, wie sieht eigentlich Benzin aus?“

Erkenntnis: Fortschritt ist immer unvollkommen – sonst gäbe es ihn ja nicht.

Während ich die Zapfpistole im Tankstutzen des Motorrades versenke, schweifen meine Gedanken weiter ab...

Wie wird es sein in 10 oder 20 Jahren unter den Tankstellendächern?
Dann, ja dann fahren wir ins KVC (Konsumverteilcenter). Dort befindet sich neben der TBV (Tankbedienungsvorrichtung) die FEM (Fahrzeugerkennungsmulde). Die FEM ist eine Art Schlagloch, gekoppelt mit allerlei elektronischer Schnickschnack, in das wir mit dem Vorderrad hineinfahren. Damit beginnt der Tankvorgang der Zukunft.

Sesam öffne dich. Lautlos schwenkt an der TBV eine massive Panzerplatte zur Seite (Vandalismus wird vorgebeugt) und gibt ein Bedienplanel frei, das in der Ausgestaltung der Startvorrichtung einer Saturn-V-Rakete ähnelt. Während die Elektronik der FEM die Reifenprofildaten auf absolut sicherer Datenleitung direkt an das Kraftfahrtbundesamt, die nächstgelegende Polizeidienststelle, das Innenministerium, und die 125 Reifenhändler-Werbepartner des KVCs sendet, kommt aus unbe¬stimmter Richtung eine gut modulierte Stimme:

„Bitte legen Sie innerhalb der nächsten 10 Sekunden ihren Kopf zu Iriserkennung in die TBV.“

Es ist der Sprachcomputer des KVC. Und tatsächlich, in der freigegebenen Öffnung befindet sich ein Gerät, ähnlich dem wie wir es vom Augenarzt kennen. Seit es an jeder Ecke Gummidaumenabdrücke zu kaufen gibt, ist man gänzlich vom Fingerprinting auf die Augen-Iris-Erkennung umgestiegen. Praktischerweise befindet sich diese inzwischen auch in jedem Motorradrückspiegel und ersetzt den Zündschlüssel. Dass man nach tausend Augen-Scans blind wird, ist natürlich nur eine Gerücht – natürlich!

Auf der anderen Seite der TBV hängt ein lebloser Körper. Offensichtlich war sein Kreditvolumen ausgeschöpft und der Delinquent schaffte es nicht mehr rechtzeitig seinen Kopf in Sicherheit zu bringen, bevor die schnell schließende Panzerplatte der TBV zuklappte. Tja, der Mensch war eben noch nie perfekt. So lautet auch der Sinnspruch über jedem KVC: Optimiere deine Handlungen.

Während ich nun meinen Kopf in die TBV zwänge und mein Kinn auf die kalte, speichelverschmodderte Kunststoffschale lege, fährt fast zeitgleich ein harter Blitz in meine Augen. Blitzschnell reise ich meinen Kopf aus der Öffnung. Man weiß ja nie...
Leider ramme ich mir dabei den Schädel an den Not-Aus-Schalter des Bedienplanels. Und während ich versuche bei Bewußtsein zu bleiben, dringt die freundliche Automatenstimme an meine Ohren:

„Auf ihren Wunsch hin wurde der Bedienvorgang abgebrochen. Wir danken für ihren Besuch.“

Drei zehntel Sekunden später hat sich das Bedienplanel wieder vandalismusschützend hinter seiner panzerknackersicheren Abdeckung versteckt.

Schimpfend drücke ich das Motorrad aus der Fahrzeugerkennungsmulde und lasse es wieder hineinrollen. Beim zweiten Versuch klappt es dann. Gerade will ich mit der Eingabe meiner 23stelligen Geheimzahl zur Autorisierung beginnen, teilt mir die fröhliche Automatenstimme mit:

„Um unseren Service für sie noch kundenfreundlicher zu gestalten und Fehleingaben gänzlich zu vermeiden, haben wir unser System optimiert und komplett auf Spracherkennung umgestellt. Bitte beachten Sie die folgenden Ansagen. Antworten sie dialektfrei und vermeiden sie Nebengeräusche. Danke.“

„Möchten Sie ein Schoko-Croissant, so sagen sie Schoko-Croissant und nennen Sie die Anzahl in Zahlen von eins bis zehn.“

„Möchten Sie ein Bier, so sagen sie Bier und nennen Sie die Anzahl in Zahlen von eins bis zehn.“

Ich sage, „Bier, drei“. - Eigentlich wollte ich ja nur tanken...

„Sie bestellten drei Bier, ist dies korrekt, so sagen sie bitte korrekt.“

Ich sage, „Korrekt“.

„Danke für Ihre Bestellung von Konfekt. Bitte nennen sie die Anzahl von eins bis zehn.“

Ich spüre wie mir die Beule am Kopf schwillt und sage: „Eins“.

Eine Sekunde später klötert es im Ausgabeschacht während der Automat unbeeindruckt seine kundenfreundliche Aufgabe erfüllt.

„Möchten Sie eine Flasche Premiumlight-Sekt aus aus dem sonnigen Nordhessen, so sagen sie, Premiumlight-Sekt und nennen Sie die Anzahl in Zahlen von eins bis zehn.“

Ich nehme das Konfekt und drei Dosen Bier aus dem Schacht und sage - nichts.

„Möchten Sie eine Bildzeitung, so sagen sie Bildzeitung und nennen Sie die Anzahl in Zahlen von eins bis zehn.“

Ich reise von einer Bierdose, Marke Öttinger, den Verschluss ab.

„Möchten Sie einen Kaugummi zuckerfrei, so sagen sie Kaugummi zuckerfrei und nennen Sie die Anzahl in Zahlen von eins bis zehn.“

Zischend entweicht mit Überdruck die Hälfte des Bierdoseninhalts und ergießt sich mit schaumiger Fontäne in die Tankbedienvorrichtung.

Prompt erfolgt die Maschinenreaktion: „Vandalismus wird mit einer Geldstrafe von 5000 Euro bestraft. Der Betrag wurde soeben ihrem Konto belastet.
Leider ist Ihr Bankkonto überzogen. Wir danken für ihren Besuch.“

... mit einem spürbaren Klack erlischt meine Zukunftsvision, die Zapfpistole meldet, mein Tank ist voll.

Propeller Bernhard
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hubert
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Re: Gedanken beim Tanken ...

Beitrag von hubert »

Tach Bernhard,
ich sage auch "Korrekt", du hast es echt drauf!

Schade das meine Tanks noch voll sind, ich währe jetzt doch glatt mit einem Grinsen zur Tanke los!

Im übrigen, ich nehme auch drei Bier, und eins davon drinke ich heute Abend auf dich!
Es wird wohl irgendwann so kommen aber verschone uns vor so einer Zukunft!

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Hubert
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Michel
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Re: Gedanken beim Tanken ...

Beitrag von Michel »

Hi Bernhard,

die beste Story rund ums Mopped, die ich seit langem gelesen hab -

Glückwunsch
Michel
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