Triumph BDG 250 H

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Moderator: Jürgen W.

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Laverdalothar
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Triumph BDG 250 H

Beitrag von Laverdalothar »

Moin,

ich finde ja, jeder der ein Motorrad fährt, sollte mal einen 2-Takter gefahren sein. Nicht so einen überzüchteten China-Schrott sondern mal was gaaaanz ursprüngliches. Ne GT185, 200 oder 250, ne RD oder - mal was aus eigenen Landen! Auch nach Jahren des Schraubens an diversen Motorrädern findet man immer wieder neues zu lernen und das hier im Moment ist echt ein gutes Beispiel...:

Vor ca. 28 Jahren schenkten wir meinem Vater sein erstes Motorrad (baugleich, nicht die selbe Maschine leider), eine Triumph BDG 250H. Die Triumph ist eine deutsche Produktion aus den Nürnberger Triumph Werken und hat so einige Besonderheiten: Hinterradfederung (deswegen das H hinter der 250), Schwingsättel für Fahrer und Sozius/Sozia, ein Kassetten-Getriebe, gekapselte Antriebskettenführung, manuelle Zündzeitpunkt-Verstellung und ein Motor, der so simpel wie auch außergewöhnlich ist, dass man echt staunt:

-Gabelpleuel-Doppelkolben Motor (2 Kolben teilen sich ein Pleuel und einen gemeinsamen Brennraum)
-getrennte Schmierung von Motor und Getriebe
-Motor zu großen Teilen ohne Ausbau des Motors zerlegbar
-usw. usw. usw.

Ich fand und finde die Kiste einfach hübsch! Dazu kommt der unrestaurierte Original-Zustand mit angeblich über 80.000km (OK - Motorrevision gabs dann doch mal...). Seht selbst:

Bild

Das ist zwar nicht unsere (die hier ist restauriert...), aber ihr könnt es euch sicher vorstellen...

Warum schreibe ich jetzt hiervon? Weil man eigentlich bei dem Motor nichts falsch machen kann. Außer, man macht halt alles falsch...

Wir hatten massive Probleme mit Kolbenklemmern. Zunächst dachten wir an falsche Gemisch-Aufbereitung (zu mager) oder falsche Zündung (klingeln).

Der Motor war zunächst ausgeschliffen und mit neuen Kolben versehen worden bei einem Fachbetrieb, die von uns montiert wurden. Wir haben uns darauf verlassen, dass die Kolben und Ringe entsprechend auf die Honung angepasst waren. Tja.... falsch gedacht....

Dann haben wir nach einigen anderen Problemen mit dem Getriebe u.a. den Motor zu einem Spezialisten geschickt und ihn darauf hingewiesen, was der Motor macht und ihn gebeten, das (und ein paar andere Probleme) zu beheben. Ergebnis? Motor klemmte immer noch nach 4-5 Kilometern fahrt.

Also alles auseinander genommen und geschaut, gemessen und wieder geschaut. Ein paar Kopfkratzer später zeigte sich folgendes Bild:

-Kolben mit deutlichen Klemm-Spuren
-Zylinder mit leichtem Alu-Abrieb
-Öl-Fräsungen am Kolben waren mit Alu "zugeschmiert"
-Kolbenbolzen ging fast nicht raus

nach der Ursachenforschung und einigen Stunden Lektüre, Gesprächen mit Fachleuten etc. stand die Ursache (wahrscheinlich) fest:

-Kolben vertauscht eingebaut (einer hatte 0,09, der andere 0,11mm Spiel. Getauscht hätten beide 0,1 gehabt...)
-Kolbenringe: nur einer von 6 (3 je Kolben) jeweils war auf das richtige Stoßmaß angepasst worden...
-Dadurch Hitzebildung und Ölfilm-Riss an den Kolben

Leider ist mir einer der Ringe "geknackt" beim montieren, daher warte ich noch auf die neuen Ringe. Danach können diese (nach erheblicher Nachbearbeitung...)zusammen mit den ebenfalls nachbearbeiteten Kolben wieder verbaut werden, da immer noch maßhaltig! Bin gespannt... Dazu kommt noch das richtige Einfahren (Beratung erfolgte von einem Meister alter Schule...) und dann sollte das hoffentlich der Vergangenheit angehören... Freue mich schon auf die nächste Ausfahrt!!

Fazit: never traue a Fachwerkstatt!
LG

Lothar

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Gerald
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Re: Triumph BDG 250 H

Beitrag von Gerald »

Hallo Lothar,

Schöner Bericht, in dem ich vieles wieder erkenne was mir auch schon passiert ist.
Viel Erfolg beim weiteren Schrauben und den Herausforderungen.

Gerald
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Laverdalothar
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Re: Triumph BDG 250 H

Beitrag von Laverdalothar »

Danke, Gerald. Hab den Motor schon ein paar mal auf gehabt und vorher auch schon an Vespas und dem SYM-Roller meines Sohnes Zylinder und Kolben getauscht, da war das aber immer alles relativ easy, da die Sets offenbar gut voreingestellt ankamen. Halt für den "versierten Dummy" gemacht... ;-) . Die Triumph zickt hier ganz schön rum, was aufgrund der vorhandenen Fehler nicht ungewöhnlich ist. Dennoch nervt das manchmal natürlich, wenn Du die gleichen Dinge immer und immer wieder tuen musst, bis es besser wird. Teils natürlich - das muss ich zugeben - aufgrund mangelnder Erfahrung oder Wissen...

Hinzu kamen noch andere Probleme, die die eigentliche Ursache "maskiert" haben: Mein Vater hat vor 28 Jahren einen Kanister Sprit angemischt (1:20 wie vorgeschrieben) - und der ist immer noch nicht leer gewesen... wtf Dem entsprechend war auch der Sprit im Tank seit mind. 25 Jahren "überfällig"... Den hab ich dann mal als erstes entsorgt und 98 Oktan mit modernem Öl in 1:30 (Empfehlung aus dem TWN-Forum) gemischt. Damit war schon mal die Pest-Wolke hinter mir weg beim Fahren. Dann habe ich auf Verdacht mal den Auspuff auseinander genommen und siehe da - zu 2/3 waren die Löcher im Innenrohr mit Ölkohle zugesetzt. Ein 3-Tages-Diesel-Bad hat das behoben. Dann noch alles ordentlich montiert und ein Dichtband an der Auspuffschelle sowie am "Fishtail" Auspuff montiert (fehlte beides...) und schon siffte die auch nicht mehr aus dem Krümmer oben am Kopf... :mrgreen: Merke: kaum macht man es richtig, schon funktioniert es!

Danach haben wir erst mal mit verschiedenen Düsen und Kerzen gespielt, was alles nur schlimmer machte (bis hin zur Glühzündung: Motor läuft selbst ohne Schlüssel noch weiter wtf ).

Als alles nichts half, haben wir den Zylinder gezogen und das Grauen schaute uns an...:

https://app.box.com/s/hyubbd4pv6bpah9yi8hptnri5p7smixs

Da sieht man auch die Ursache: die Kolbenringe sind mit zu geringem Stoßspiel montiert...
LG

Lothar

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Laverdalothar
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Re: Triumph BDG 250 H

Beitrag von Laverdalothar »

Da gerade hier nicht viel los ist, ein kleiner "Exkurs" zum Stoßspiel/Ringspiel der Kolbenringe...:

Hatte mich immer gefragt, wie das Spiel der Kolbenringe überhaupt eingestellt wird. Eigentlich ist es ganz einfach: angenommen, wir haben - wie hier - einen Zylinder, der für einen 45,5er Kolben ausgelegt ist. Das Kolbenspiel sollte 0,1mm betragen, das Spiel der Kolbenringe 0,08 - 0,09 (lt. Hersteller). Die Werte sollte man erst mal haben, der Rest ist Messen...

Man braucht 4 Werkzeuge: Fühlerlehre, Mikrometerschraube mit passendem Messbereich für den Kolbendurchmesser und - optimaler Weise - eine 3-Punkt Innenmessschraube (das ist eine Mikrometer-Schraube, die nach dem Einführen in den Zylinder beim drehen 3 Bolzen spreizt und so den Innendurchmesser exakt ermittelt) sowie eine handelsübliche kleine, feine Feile. Fühlerlehren sind Bestandteil jedes gut sortierten Ratschenkasten, Mikrometer-Schraube bekommt man neu oder gebraucht für kleines Geld. Lediglich die Innenmikrometerschraube ist nicht ganz billig. Ich habe eine gebrauchte erstanden und die Maßhaltigkeit mit einem Musterring (von einem Dreher für nen 10er in die Kaffekasse) überprüft. Alternativ kann man sicher auch bei einer Zylinderschleiferei das vermessen lassen und mit einem wasserfesten Stift auf Zylinder und Kolben schreiben lassen.

Dann geht es los...:

1. Schritt: Kolben-Außendurchmesser UNTEN ca. 1 cm vom Rand messen in Längs- und Querrichtung. Sicherheitshalber auch noch um den Kolbenbolzen herum (speziell wenn gebrauchte Kolben verwendet werden!) und oben. Beim 2-Takter sollte der Kolben Oberhalb der Kolbenringe schmaler sein als unten, da er sich durch die Hitze stark ausdehnt

2. Schritt: Messen des Zylinder-Durchmessers ca. 0,5 - 1cm unterhalb der Oberkante Zylinder.

3. Schritt: Ermittlung des Kolbenspiels (Differenz zwischen Kolbendurchmesser und Zylinderdurchmesser. Hierbei kam dann raus, dass ein Zylinder 0,01mm größer war als der andere, ebenso das gleiche bei den Kolben. Richtig eingebaut hätten beide 0,1 Spiel gehabt, so waren es 0,09 bzw. 0,11... :roll:

Kolbenringe von oben nacheinander einzeln in den jeweiligen Zylinder einführen, ca. 1 cm von der Oberkannte und nun mit der Fühlerlehre die Lücke zwischen den beiden Enden des Kolbenrings messen. Wie groß die sein sollte, lässt sich anhand der schon ermittelten Zylinder-Durchmesser und des vom Hersteller des Kolbens vorgegebenen Ringspiels ermitteln:

Jetzt kommt der Taschenrechner ins Spiel... Nehmen wir mal ein paar Werte von meinem Motor:

Zylinder-Durchmesser war 45,52 bzw 45,53 beim anderen Zylinder. Mit dem Durchmesser können wir nun den Umfang errechnen (Uz= Umfang Zylinder, Ur= Umfang Kolbenring):
Uz=D x Pi
Uz=45,52 x 3,14159
Uz=143,005

Um das Ringspiel mit 0,09 einzustellen, muss der montierte Kolbenring im Durchmesser 0,09 KLEINER sein als der Zylinderdurchmesser. Also:
Durchmesser Ring = Durmesser Zylinder minus 0,09
Durchmesser Ring = 45,52 - 0,09
Durchmesser Ring = 45,43

Um nun den Umfang des Rings (Ur) zu ermitteln rechnen wir wie Eingangs mit dem Umfang des Zylinders:

Ur= D x PI
Ur=45,43 x 3,14159
Ur=142,722

Jetzt ziehen wir Ur von Uz ab und erhalten als Ergebnis das Stoßspiel zwischen den beiden Enden des Kolbenrings. In diesem Fall beträgt es 0,283mm

Da die meisten Fühler-Lehren nur 0,05er Schritte zulassen, muss hier ggf. mit etwas "Gefühl" gearbeitet werden. Soll heißen: der Fühler mit 0,25 muss locker reingehen, der mit 0,3 darf auf keinen Fall reingehen! Will man es optimal machen, könnte man sich auch einen Messstreifen vorsichtig zurecht schleifen auf 0,28 und dies mit der Mikrometer-Schraube (an mehreren Stellen, vor allem aber an der Kannte!) prüfen. Dieser sollte dann "saugend" durch den Ringspalt gehen.

Auf der anderen Seite: 0,3 würde einem Ringspiel von 0,1 entsprechen (anstelle von 0,09), was beim relativ kleinen 2-Takter Kolben wahrscheinlich noch immer OK wäre. In sofern ist eine Annäherung an 0,283 wünschenswert, jedoch für einen "Schweinemotor" wie den alten Triumph Doppelkolber wahrscheinlich nicht völlig kriegsentscheidend, zumal der seine Spitzenleistung schon bei für 2-Takter lächerlichen 3,800 Umdrehungen erreicht...

Angepasst wird dieser Ringspalt einfach mittels einer feinen Feile. Hierbei gilt: kurzes Feilen und häufiges Messen sind besser, als gleich grob dran zu gehen - eh klar. Ist der Ringspalt erst mal zu groß, ist der Ring was für die Tonne. Auch aufpassen, dass man keine Grate produziert oder gar den Ring zerbricht. Am Anfang würde ich sehr, sehr vorsichtig vorgehen oder sogar einen zusätzlichen Satz Ringe besorgen.

Neben dem Stoßspiel ist aber auch das Ringspiel in der Nute des Kolben entscheidend. Der Ring sollte sich frei drehen lassen und an jeder Stelle vollständig in den Kolben eintauchen können. Unbedingt drauf achten, dass keine Ablagerungen dies verhindern, das würde das Ringspiel zu eng machen. Ein Höhenspiel von 0,05 ist OK, 0,1 würde bedeuten dass der Ring oder der Kolben zu viel Spiel haben und ersetzt werden müssen, da sonst die Ringe "Klappern" und sich ggf. verkannten könnten.

Hoffe, das war interessant, hab das wie gesagt auch jetzt erst im Zuge dieser Restauration so richtig das erste mal gemacht.

Beim 2-Takter ist übrigens nicht jeder Kolben, der mal geklemmt hat und wie auf den Bildern oben ausschaut gleich Schrott. Ebenso sind Alu-Laufspuren auf dem sonst noch guten Grauguß-Zylinder kein Beinbruch. Diese kann man mit Ätznatron (Apotheke; oder sonst: viele Abflußreiniger enthalten Natriumhydroxid (kurz: Ätznatron). Bei den körnigen muss man allerdings die Alu-Stücke aus den Körnern entfernen. Besser ist ein Gel mit hoher Konzentration, damit lässt sich durch längere Einwirkzeit der Aluschmier entfernen und der Kolben - zumeist - ohne erneutes Honen weiter verwenden. Gut mit Wasser spülen danach, im Backofen trocknen und bei Guss sofort einölen, sonst rostet er..

hier noch ein schönes Video wo das super erklärt wird (allerdings eben nicht, wie man das Stoßspiel berechnet...):

https://youtu.be/x3uAJ1zlo1M
LG

Lothar

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